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Berlin, wir müssen reden!

Das Ergebnis der SPD bei der Europawahl ist einmal mehr eine große Enttäuschung. Aus unserer Sicht muss die Bundes-SPD jetzt endlich die richtigen Konsequenzen ziehen - personell und inhaltlich!

Das Ergebnis der SPD bei der Europawahl und der Bürgerschaftswahl in Bremen ist einmal mehr eine große Enttäuschung. So tief ist die SPD bei einer bundesweiten Wahl noch nie gefallen. Im Wahlkampf vor Ort haben wir gespürt: Das Ergebnis sagt nichts über unsere Arbeit in Neuss aus. Unsere Gesprächs- und Veranstaltungsreihe „SPD Neuss im Dialog“ erfreut sich auch nach über einem Jahr großer Beliebtheit in der Neusser Bevölkerung und die Arbeit von Bürgermeister Reiner Breuer  und der SPD-Ratsfraktion wird bei allen Veranstaltungen sehr gelobt – das wurde uns auch an den vielen Infoständen im Europawahlkampf bestätigt.

Wie erklärt sich die Unzufriedenheit mit der Bundes-SPD?

Ganz anders beurteilen die Menschen den Zustand der Bundes-SPD. Die Unzufriedenheit mit der Großen Koalition war ein zentrales Thema bei den Infoständen. Viele Neusserinnen und Neusser weisen zu Recht darauf hin, dass die SPD seit 1998 in 17 von 21 Jahren Regierungsverantwortung getragen hat. Zwar wurden in dieser Zeit – insbesondere unter der rot-grünen Bundesregierung – wichtige Reformprojekte auf den Weg gebracht, die den Ausbau von Kitas und Ganztagsschulen, die Einführung der Elternzeit oder den Atomausstieg ermöglicht haben. Aber zur Wahrheit gehört auch, dass die Wirtschaftsreformen der Agenda 2010 zumindest dazu beigetragen haben, dass Leih- und Zeitarbeit massiv ausgebaut und der Niedriglohnsektor ausgeweitet wurde.

Kritik an der Großen Koalition

Der Umgang mit den Agenda-Reformen und das Mitwirken der SPD als permanenter Juniorpartner unter Angela Merkel machen es schwierig, verloren gegangenes Vertrauen zurückzugewinnen. Auch wenn die SPD in den vergangenen Jahren einige Erfolge vorweisen kann – beispielsweise die Einführung des gesetzlichen Mindestlohnes – erleben wir in der Neuauflage der Großen Koalition einmal mehr, dass die großen Projekte der SPD von der CDU blockiert werden. Die Erhöhung des Mindestlohns auf 12 Euro? Von der CDU blockiert. Erste Vorschläge der Parteispitze zur Abkehr von Hartz IV? Von der CDU blockiert. Die Einführung einer funktionierenden Kindergrundsicherung, um Kinderarmut zu bekämpfen? Von der CDU blockiert. Die Einführung eines Klimaschutzgesetzes? Von der CDU blockiert.

Die Große Koalition muss auf den Prüfstand

Auch wenn Koalitionen und ein Koalitionsvertrag immer die Notwendigkeit nach sich ziehen, Kompromisse einzugehen, muss die SPD in Berlin zukünftig deutlich stärker an der Umsetzung ihrer großen Projekte arbeiten. Wenn das mit CDU und CSU nicht machbar ist, muss die Koalition beendet werden. Schon der erneute Eintritt der SPD in die Große Koalition war eine Kehrtwende, die uns viele Bürgerinnen und Bürger übelnehmen. So kann man keine neue Glaubwürdigkeit gewinnen. An den Infoständen wurde uns oft genug mitgeteilt, dass man der SPD nicht abnimmt, konsequent für ihre Anliegen einzutreten und notfalls auch die Große Koalition zu beenden.

Personelle Erneuerung – ohne Schulz und Gabriel

Wir müssen aber auch über unser Personal in Berlin reden. Andrea Nahles ist es als Parteivorsitzende nicht gelungen, die SPD zu stabilisieren. Das Agieren in der „Causa Maaßen“ und mehrere unglückliche Auftritte haben nachhaltig viel Vertrauen bei den Bürgerinnen und Bürgern gekostet. Aus unserer Sicht braucht es einen Neuanfang an der Parteispitze. Wir brauchen Personen, die bewiesen haben, dass sie auch mal eine Wahl gewinnen können. Malu Dreyer wäre aus unserer Sicht eine charismatische und erfolgreiche Politikerin, die der SPD an der Parteispitze guttun würde.

Ein Comeback der „Vorgänger-Generation“ um Sigmar Gabriel und Martin Schulz ist aus unserer Sicht kein Neuanfang. Denn beiden Personen ist es in ihrer Amtszeit nicht gelungen, die SPD in ruhiges Fahrwasser zu führen. Im Zuge einer personellen Erneuerung muss auch das Verfahren zur Wahl der oder des SPD-Vorsitzenden diskutiert werden. Eine Urwahl würde mehreren Kandidaten die Chance geben, ihre Ideen im Wettbewerb darzustellen und der Basis mehr Mitbestimmung ermöglichen. Der Labour Party hat dieser Schritt vor drei Jahren eine Welle an Neueintritten gebracht und sie zur größten Partei Europas gemacht.

Von den Kommunalpolitikern lernen

Die SPD steht in vielen Städten in Deutschland für eine verbindliche und erfolgreiche Kommunalpolitik. Wir brauchen mehr Kommunalpolitiker in verantwortungsvoller Position in Berlin. Familienministerin Franziska Giffey hat bewiesen, dass kompetente Kommunalpolitiker in Spitzenpositionen der SPD guttun. Sie setzt auf klare und leicht verständliche Botschaften und hat Initiativen ergriffen, die uns Kommunalpolitiker in den Städten und Gemeinden unterstützt haben. Erst das „Gute-Kita-Gesetz“ von Franziska Giffey hat beispielsweise dafür gesorgt, dass auch in Neuss endlich die Beiträge für den Kindergartenbesuch abgeschafft werden konnten.

Die SPD muss aber auch stärker an neuen Strukturen arbeiten. In vielen ostdeutschen und bayerischen Städten sind wir beispielsweise nicht mehr mit Ortsverbänden oder hauptamtlichem Personal vertreten. Formate wie unsere erfolgreiche Veranstaltungsreihe „SPD Neuss im Dialog“ müssen auch in Gebieten durchgeführt werden, in denen wir aktuell nicht oder nur schwach vertreten sind. Hier muss die Parteispitze dringend an Lösungen arbeiten, um zukünftig wieder stärker den Austausch mit ihren Wählern zu suchen. Denn eine Partei wie die SPD lebt vom Dialog mit den Bürgerinnen und Bürgern. Nur so können wir die Anliegen der Menschen aufgreifen und sie in unsere Arbeit in den zuständigen Gremien einfließen lassen – vom Stadtrat bis zum Bundestag in Berlin.

Sascha Karbowiak
Vorsitzender der SPD Neuss

Arno Jansen
Vorsitzender der SPD-Ratsfraktion

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